Zuletzt am 9. Juni 2020 aktualisiert
Die Weizenkornlegende
In Indien vor langer Zeit
hat sich ein König gelangweilt,
ein Maharadscha und Tyrann.
Er führte Kriege mit Elan.
Drum schuf für ihn ein Weiser der Brahmanen
das Spiel mit Königen und deren Untertanen,
die schwarz und weiß bemalt wohl waren;
mit Regeln – einfachen und klaren.
Wer seines Gegners König fing, gewann,
so sah der mächtige Tyrann,
dass ohne Not und ohne Schmerzen
in diesem Krieg man konnte glänzen,
dass selbst der König wird zur Beute
ganz ohne Hilfe seiner Leute,
dass nur Geschick und Fantasien
bestimmen Geisteskampf-Partien.
Des Königs Freude war enorm –
so schön war‘s Spiel in dieser Form!
Er lobte den Erfinder sehr
und bot ihm alles nach Begehr.
Da kam die Bitte des Gelehrten,
das Lob mit Weizen zu bewerten:
Man nehme nur des Spieles Brett
und fülle es mit Korn komplett.
Erst eins, dann zwei, dann vier und acht,
so immer doppelt aufgebracht…
Da hatt’ der König plötzlich Zorn:
„Für solch ein Spiel statt Gold nur Korn?
Wünsch’ dir was Besseres, du Narr!“
Der Weise blieb beim Honorar.
Nun galt es für die Weizen-Wachen
den Lohn des Weisen klarzumachen.
Sie zählten in der Weizenkammer
dann kam die Nachricht, wie ein Hammer:
Das mit dem Weizen war ein Streich –
so viel hat nicht das ganze Reich!
Was auf der ganzen Welt gesät
ist noch zu wenig für das Brett!
Der Weise war nicht unbescheiden,
er wollte nur dem König zeigen:
Als eines der ideenreichsten
sucht dieses Spiel noch seinesgleichen,
als Schach bekannt nun dir und mir…
Der Name des Erfinders war Sissa ibn Dahir.